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Bedürfnisorientierte Elternschaft und Erziehung

Bedürfnisorientierte Erziehung: der schlüssel für zufriedene kinder?

Dem Kind auf Augenhöhe begegnen, es wirklich verstehen und dabei weder Schimpfen noch Strafen – das sind die Säulen der bedürfnisorientierten Erziehung. Die Babykurse und Elternworkshops der Adler Apotheke sind geprägt von dieser Haltung dem Kind gegenüber. Doch wie geht das, müssen wir als Eltern etwa dem Kind jeden Wunsch erfüllen? Maria Beisch, Babykursleiterin und Mutter zweier Kinder, erzählt im Interview, wie die bedürfnisorientierte Erziehung tatsächlich funktioniert und wie sie zu einer glücklichen Kindheit beiträgt.

Maria, wie würdest du das Konzept der Bedürfnisorientierung zusammenfassen?

„Es handelt sich dabei um eine Haltung dem Kind, aber auch sich selbst gegenüber. Eltern, die ihrem Kind so begegnen, bewerten und verurteilen nicht das Verhalten eines Kindes, sondern versuchen, das Bedürfnis dahinter zu verstehen. Was versucht das Kind, mit diesem Verhalten auszudrücken?“

Wir versuchen also, das Verhalten zu verstehen und dann eine Antwort darauf zu finden. Warum ist das besser, als dem Verhalten einfach einen Riegel vorzuschieben und mit Regeln und Verboten zu arbeiten?

„Je nach Alter des Kindes kann es mit Regeln sehr wenig anfangen. Die Bedürfnisorientierung beginnt ja schon im Babyalter – wenn ein Baby schreit oder weint, ist das seine Art, ein Bedürfnis zu kommunizieren und wir Eltern haben die Aufgabe, diesen Schrei zu interpretieren. Drückt er Hunger aus, den Wunsch nach Nähe oder Bauchschmerzen? Erst wenn wir das Bedürfnis, die Not, dahinter verstehen, können wir die Lösung bieten.

Bei Babys ist das leicht verständlich, aber was ist mit älteren Kindern?

„Mit dem Alter werden die kindlichen Bedürfnisse und das Verhalten komplexer. Während ein Baby durch Schreien kommunizieren kann, kann ein zweijähriges Kind hauen, kratzen oder einfach nicht auf uns hören; ein fünfjähriges Kind kann andere ärgern, einnässen, weglaufen oder etwas anderes tun, das wir nicht wollen. Das Prinzip ist hier aber das gleiche wie beim Baby: Unsere Aufgabe als Elternteil oder Bezugsperson ist es, das Verhalten verstehen zu wollen und dann das echte Bedürfnis darin zu beantworten.“

Wie gehe ich denn mit einem bockigen Trotzkind um?

„Die sogenannte Trotzphase bringt fast alle Eltern an ihre Grenzen. Wenn wir einem Kind aber von Anfang an bedürfnisorientiert begegnet, sind die Wutanfälle vielleicht seltener oder weniger intensiv.“

Warum das?

„Bedürfnisorientierte Eltern nehmen auch schon das kleinste Kind in seiner Meinung ernst. Natürlich wissen wir als Erwachsene mehr und können eine Situation besser einschätzen und das beste Vorgehen definieren, aber ich berücksichtige dabei die Sicht des Kindes. Heißt: Ich erkläre ihm eine Regel altersgerecht, versuche mit einem Nein sparsam umzugehen, so dass es mehr Wert hat, wenn es wirklich darauf ankommt, ich hinterfrage meine Erwachsenenregeln und ermögliche dem Kind maximale Eigenständigkeit.“

Wie eigenständig kann denn ein Kleinkind sein?

„Sehr eigenständig! Natürlich in seinen natürlichen Grenzen. Aber beim Aufwachsen ist Autonomie genauso wichtig wie Geborgenheit. Das Kind möchte lernen, es möchte groß werden, neue Aufgaben übernehmen und etwas alleine tun. Wenn ich meinem Kind das ermögliche und dabei für eine sichere Umgebung sorge, fühlt es sich stolz und wichtig in unserer Gemeinschaft. So kann schon ein Zweijähriges kleine Küchenaufgaben wie Saftpressen, Tisch decken oder die Spülmaschine ausräumen übernehmen und dabei das wichtige Gefühl erleben, eine wichtige Unterstützung im Familienhaushalt zu sein. Ein Kind, das so zufrieden ist und sich oft als selbstwirksam erlebt, muss seinen Frust seltener über Wutanfälle herauslassen.“

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Was machen denn bedürfnisorientierte Eltern noch anders als eher konservativ geprägte?

„Sie vermeiden Strafen und Schimpfen und zwingen das Kind nicht zu bestimmten, von Erwachsenen erwünschten Verhaltensweisen. Das Schlaftraining beispielsweise, bei dem Kinder abends schreien gelassen werden, bis sie von alleine einschlafen ist nicht sinnvoll. Genauso wenig wie ein Kind den Teller aufessen muss oder bei einem Turnkurs mitmachen muss, wenn es das nicht möchte.“

Aber ohne Strafen und Regeln fehlt dem Kind doch jeglicher Halt, erziehe ich mein Kind so nicht zu einem riesigen Egoisten? Also, tanzt mir das Kind so nicht auf der Nase herum?

„Diese Angst haben in Deutschland vor allem die ältere Generation. Sie meine, ein Kind müsse gehorchen und würde so lernen, dass nicht immer alles nach seinem Wissen geht. Aber: Auch die bedürfnisorientierter Perspektive zeigt dem Kind Grenzen und gibt dadurch Halt. Die Grenzen sind wohlüberlegt, kindgerecht kommuniziert und werden nicht mit Strafen durchgesetzt. Kinder tun nie etwas mit Absicht gegen uns! Es muss ihnen nichts zwanghaft abtrainiert werden, es geht darum, ein Verhalten zu verstehen und dann eine gute Lösung für eine Situation zu suchen. Das stärkt die Bindung zwischen Eltern und Kind und das Vertrauen. Kinder fühlen sich gesehen, ernst genommen und sind so eher zur Kooperation bereit. Die Wissenschaft belegt, dass ein bindungsorientierter Erziehungsstil dazu beiträgt, dass Kinder selbstbewusst, stabil und erfolgreich ins Leben kommen. Die autoritäre Elternschaft mit Strafen und vielleicht sogar Gewalt erhöht nachweislich das Risiko spä­te­rer psy­chi­scher Erkrankungen, wie z. B. Depressionen, Angststörungen und Drogenabhängigkeit.“

Es geht also nicht um das stumpfe Verbieten eines Verhaltens, sondern das Verstehen. Hast du dafür ein Beispiel aus dem Alltag?

„Wenn mein Kind wiederholt in der Kita andere Kinder ärgert und haut, dann muss ich ihm natürlich klar machen, dass das nicht geht. Ich erkläre ihm also, wie sich das andere Kind dabei wohl fühlt, rege ihn dabei zur Einfühlung an und versuche weiter zu verstehen, was mein Kind so wütend macht. Bekommt vielleicht sein Geschwisterkind zurzeit viel mehr Aufmerksamkeit, fühlt es sich dadurch allein gelassen? Ist gerade sein bester Freund weggezogen und er ist traurig darüber? Oder habe ich in der letzten Zeit vielleicht zu viel an ihm kritisiert, so dass er sich ungeliebt fühlt? So ein Verhalten kann ganz unterschiedliche Gründe haben. Die Bezugsperson muss in der Lage sein, sich einzufühlen und die Ursache zu finden. Das Hauen einfach zu bestrafen und zu hoffen, dass die Strafe das beendet, funktioniert meist nicht. Dann macht sich die Wut des Kindes an anderen Stellen Luft.“

So weit, so gut, was ist aber mit den Bedürfnissen der Eltern? Wenn es immer nur ums Kind geht, bleibe ich dabei nicht völlig auf der Strecke?

„Die Bedürfnisse aller in der Familie sind wichtig! Nur wenn es dir als Elternteil gut geht, hast du die Energie, dich einfühlsam und sensibel um dein Kind zu kümmern. Natürlich hat das Kind zeitweise Vorrang, in den ersten Monaten nach der Geburt beispielsweise müssen Eltern ihr eigenes Leben hintenanstellen. Aber die Fähigkeit, auf die Erfüllung eines Bedürfnisses warten zu können, wächst bei den Kindern mit den Jahren. Mit der Zeit müssen auch Mama und Papa wieder auf sich hören und sich um sich kümmern. Dauerhafte Erschöpfung ist keine gute Basis für eine freudvolle Erziehung. Außerdem muss das Kind lernen, dass auch andere Menschen Bedürfnisse haben und so eine Grenze erfahren. Natürlich darf ein Säugling nicht minutenlang unbeantwortet schreien, aber ein vierjähriges Kind kann schon einmal warten, dass Mama etwas beendet hat, bevor sie sich wieder ihm zuwendet.“

À propos Mama, ist sie wirklich die wichtigste Bezugsperson und muss sich die ersten Jahre für das Kind aufopfern?

„Es gibt ja das schöne Sprichwort Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind groß zu ziehen. Die Annahme, dass eine Kleinfamilie allein ohne Unterstützung von außen durch Kita, Großeltern oder Tagesmütter, gut durch den modernen Alltag kommt, ist überholt. Das überfordert nicht nur die Mutter, sondern ein Kind kann sich genauso mit anderen einfühlsamen Personen wohlfühlen und profitiert sogar davon.“

Wer mehr wissen möchte …

… besucht gerne einen unserer Babykurse und erfährt dort mehr über die bedürfnisorientierte Haltung zum Kind. Hier auch eine Auswahl von Erziehungsratgebern und Elternblogs, die wir gern empfehlen: